Es gab einmal einen guten, frommen König, der sein Reich gerecht, göttlich und optimal regierte. Jeder war zufrieden mit ihm und stolz auf ihn. Doch es kam eine Zeit in der den König ein inneres Verlangen nach einer Einweihung überkam. Er verspürte einen brennenden Schrei nach innerem Frieden und innerem Licht. So gab er sein Königreich auf und ging zur Einweihung zu einem spirituellen Meister.
Der spirituelle Meister sagte zu ihm: „Ich werde dich einweihen wenn du bereit dafür bist. Zurzeit bist du nicht bereit für eine Einweihung.“
Der König nahm die Worte des Meisters an. Er verbeugte sich vor dem Meister und sprach: „Ich werde alles tun, was ihr von mir zu tun verlangt. Nur nehmt mich bitte als euren Schüler an.“
Der Meister sagte: „Ja, ich werde dich als meinen Schüler annehmen. Von nun an wirst du jeden Tag ganz oben auf den Hügels gehen und gemeinsam mit meinen anderen Schülern Bäume fällen, denn wir benötigen Brennstoff, um unser Essen zu kochen. Ebenso wirst du die Kühe zum Grasen auf das Feld führen, wie es die anderen Schüler tun, und du wirst Hausarbeit leisten.“
Der König stimmte zu. Jeden Tag ging er mit den anderen Schülern, die seine spirituellen Brüder waren, und verrichtete Hausarbeiten, um den Meister zufrieden zu stellen. Obwohl der König niemals zuvor eine solche Art von Arbeit verrichtet hatte, gab er sein Bestes und seine Arbeit war ziemlich zufriedenstellend.
Eines Tages war er dabei einen Baum zu fällen, doch er arbeitete nicht schnell genug. Einer seiner Brüderschüler gab im einen klugen Hinweis: „Du arbeitest so langsam. Der Meister wird zornig werden, wenn wir so langsam arbeiten. Arbeite nicht so langsam!“
Nun entstammte dieser Bursche einer sehr, sehr niedrigen Kaste; er war ein Unberührbarer. Doch der Meister akzeptierte Schüler aus allen Kasten und in seinen Augen hatte jeder den selben Rang. Der König sagte nichts zu dem Unberührbaren, doch im Stillen sagte er zu sich: „Weiss er nicht, wer ich war? Hätte er dies getan, als ich der König war, hätten meine Männer ihn unmittelbar getötet. Nun habe ich das spirituelle Leben angenommen; daher ist er gerettet. Gott segne seine Unwissenheit. Er sollte wissen, wer ich war und wer ich bin.“
Einige Zeit war vergangen und wieder trat der König vor den Meister. Er kniete nieder und sprach: „Viele Leute, die nach mir gekommen sind, wurden eingeweiht, aber ich bin noch uneingeweiht. Wann wird meine Zeit kommen?“
Der Meister sprach, „Eines Tages wird deine Zeit kommen, aber sie ist noch nicht gekommen. Es wird Zeit benötigen. Immer noch genießt du den Stolz, ein König gewesen zu sein. Solange du deinen Stolz-Reichtum geniesst und schätzt, wird eine Einweihung in weiter Ferne bleiben. Besiege deinen Stolz und ich werde dich einweihen. Solange und bis du deinen Stolz besiegt hast, erwarte nicht von mir, dich einzuweihen.“
Der König berührte die Füße des Meisters: „Von nun an werde ich höchst seelenvoll versuchen, meinen größten Feind, den Stolz, zu besiegen und so zu einem geeigneten Instrument für deine Einweihung zu werden.“
Des Meister sprach, „Versuche es mein Kind, du wirst unweigerlich Erfolg haben.“
Und so kam es nach einiger Zeit, dass der König seinen Stolz besiegte und er von dem Meister eingeweiht wurde.
Sri Chinmoy, Great Indian meals: divinely delicious and supremely nourishing, part 01,
Agni Press, 1979
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